Wo liegt der faire Wert? Übernahmephantasien könnten dem Kurs helfen

26.06.2017 | Artikel über Nordex (DE000A0D6554) von Blaues Hufeisen

Zusammenfassung

  • Operativ läuft es bei Nordex eher schlecht: Die jüngsten Zahlen enttäuschten.
  • Der neue CEO Jose Luis Blanco muss wieder Vertrauen schaffen und die Auftragslage verbessern.
  • Eine Übernahme durch Acconia in den nächsten 1-2 Jahren ist wahrscheinlich.

Einschätzung

Kaufen Langfristige Anlage

Nachdem sich die Aktie des deutschlandweit bekanntesten Windturbinenherstellers Nordex sich seit Januar mehr als halbierte, stellt sich mir als Anleger die Frage:

Welcher Wert wäre für den Aktienkurs von Nordex eigentlich angemessen? 

Wenn Du die gleiche Frage hast und vielleicht ein paar Nordex-Aktien im Depot hälst, dann wird meine folgende Kurzanalye vielleicht interessant sein, um einen Überblick zu bekommen. 

Das Chartbild sieht schonmal aus wie ein böser Autounfall...

Meine Einschätzung für die weitere Kursentwicklung ist mit allen Begleitumständen sehr vorsichtig. Es ist nach der gegenwärtig undurchsichtigen Datenlage praktisch unmöglich eine seriöse Umsatz- und Gewinnprognose herzuleiten. Vor allem das zweite Halbjahr lässt noch zu viele Fragen offen.

Der starke Kurseinbruch rechtfertigt dennoch eine ehrliche Einschätzung, zur aktuellen Bewertung.

Prognosen für 2017 und 2018 sind schwer erreichbar

Die Konsensprognose für 2017 mit einem Umsatz von knapp über 3 Mrd. € sind eventuell noch erreichbar, aber ich rechne eher mit einem Wert leicht unterhalb der Prognosebandbreite des Vorstands, der von 3,1 bis 3,3 Mrd. Euro ausgeht. Die für 2018 von den Analysten erwartete Umsatzsteigerung über 3,4 Mrd. Euro steht aktuell auf der Kippe.

Im 1. Quartal (PDF-Link) lag der Auftragseingang für neue Projekte lediglich bei 333 Mio. €, ein Rückgang von 38% gegenüber dem Vorjahr. Vor allem Projektverschiebungen in Europa und im starken Heimatmarkt Deutschland waren dafür verantwortlich.

Macquarie Research aus Australien hat darum seine "Underperform" Einschätzung jüngst noch einmal bestätigt und ihr Kursziel von 15 auf 9 Euro gesenkt.

Die schwache Ergebnisentwicklung hatte sich im Vorfeld angekündigt. Auch diverse Artikel von Sharedeals.de waren bezüglich Nordex sehr zurückhaltend und lagen mit ihrer pessimistischen Einschätzung vollkommen richtig.

Für die Leerverkäufer, die mittlerweile 11% aller Nordex-Aktien in Beschlag genommen haben, waren die schleichenden Prognose-Korrekturen ein gefundenes Fressen.

Immer wieder konnten die Leerverkäufer, die vorübergehende Kursstärke nutzen.

Ein Ende der Korrektur scheint nur schwer erkennbar.

Bewertung fair aber keinesfalls günstig

Infolgedessen und in Anbetracht der äußerst knappen Nettogewinnmarge von lediglich etwa 1,9%, scheint die aktuelle Börsenbewertung mit knapp 1 Mrd. € Marktkapitalisierung, bei einem KUV17e von 0,3 und einem KGV17e von 17 (Konsensprognosen) relativ fair zu sein. Bei einem positiven Umsatzentwicklung wäre hier sicher Potenzial gegeben. Die Bewertung lässt aber auch keinen Spielraum mehr für weitere negative Überraschungen. 

Aktuell klammern sich die Optimisten an den im Quartalsbericht stehenden Satz: "Insgesamt erwartet Nordex im weiteren Jahresverlauf eine deutliche Belebung des Auftragseingangs über alle Regionen hinweg".

Darin liegt der Schlüssel-Faktor für die weitere Kursentwicklung.

Aktuell würde ich in Ermangelung zahlreicher neuer Großaufträge, die in den letzten Jahren laufend für eine gute Stimmung sorgten, eher von einer Fortsetzung des stagnierdenden Geschäftsverlaufs ausgehen. 

Auf ein Wachstum der Aufträge im 2. Halbjahr, solltest Du dich als Nordex-Anleger auf gar keinen Fall verlassen.

Buchwert pro Aktie muss hinterfragt werden

Das zweitstärkste Argument für eine Bodenbildung, stellt der Buchwert pro Aktie dar. Dieser lag im 1. Quartal bei stattlichen 948 Mio. € und damit bei umgerechnet knapp 10 € pro Aktie.

Damit liegt der Netto-Buchwert exakt auf dem aktuellen Kurs. 

Nur gibt es bei dieser Betrachtung ein Problem: Dem Buchwert werden knapp 550 Mio. € an "Goodwill" zugerechnet. Die Sachanlagen sind dagegen mit 278 Mio. € vergleichsweise klein.

Optisch schön sieht wieerum der Barmittelbestand von 479 Mio. € aus, doch dieser war im 1. Quartal schon um -170 Mio. € rückläufig.

Mit insgesamt rund 1,9 Mrd. € sind die kurzfristigen Passiven und langfristigen Verbindlichkeiten schon erheblich und so kann der damit verglichen relativ kleine Netto-Buchwert in einer zyklischen Abschwächungsphase, die mit Lagerabschreibungen oder sogar Forderungsausfällen begleitet wäre, sehr schnell "eingestampft" werden.

Das muss natürlich nicht so kommen und aktuell fehlen auch die Anhaltspunkte dafür. Trotzdem ist es ein Risikofaktor, der maximal für einen Kauf der Aktie spricht, wenn der Kurs deutlich unter den Buchwert fallen sollte.

Kurzfristig ist auch eine deutliche Erhöhung des Nettobuchwertes unwahrscheinlich. 

Ausgehend von den bilanziellen Risiken werden reine Value-Investoren darum nicht sofort aktiv werden.

Übernahmephantasie sollte den Aktienkurs stabilisieren

Die beste Nachricht habe ich mir bis zum Schluss aufgehoben. Die spanische Acciona, ein weltweit führender Konzern für alternative Energien und Infrastruktur, hält nach der Übernahme seiner Windsparte durch Nordex insgesamt 29,9% aller Nordex-Aktien, die man von der Familie Klatten zum Preis von 26 € kaufte.

Auch der neue CEO von Nordex kommt vom Ankeraktionär und wird den Fokus von Nordex stärker nach Spanien und Lateinamerika schwenken.

Für Acciona macht es theoretisch Sinn sich die Mehrheit an Nordex einzuverleiben. Darum halte ich einen Kursrückgang deutlich unter 10 € eher für eine Kaufchance. 

Bis Ende 2018 darf Acconia seinen Nordex-Anteil offenbar nicht weiter aufstocken. Doch ich halte es für möglich, dass sich in absehbarer Zeit ein finanzstarker Investor engagiert, der sein Aktienpaket später weiterverkaufen könnte, eventuell an Acciona.

Doch es wird wohl neben Acconia keinen weiteren Bieter geben, der ein Interesse an Nordex hat. Darum ist die Übernahmephantasie zumindest jetzt noch kein Argument für steigende Kurse Doch für eine Stabilisierung taugt es allemal.

Fazit

Falls Du Nordex interessant findest, dann solltest Du Kurse unter 10 € tendenziell zum einsammeln von spekulativen Positionen nutzen. Ob der Boden bei 10 €, 7 € oder 5 € liegt, kann fundamental betrachtet nicht beantwortet werden.

Tendenziell erwarte ich eher noch ein Kurs-Niveau um bzw. unter 8 €. Das würde den bestehenden Ertragsrisiken gerecht werden und einen attraktiven Buchwert-Abschlag ermöglichen, der dann wiederum vermehrt Value-Anleger hinter dem Ofen hervorlocken sollte. 

Die Übernahmephantasie beschränkt sich zurzeit rein auf Acconia. Dies könnte langfristig dabei helfen den Kurs zu stabilisieren, sofern sich wenigstens ein weitererer strategischer Finanzinvestor findet, der größere Blöcke für 1-2 Jahre halten wollte. Aktuell scheint mir diese Variante auch noch etwas weit hergeholt. 

Unter 10 € würde sich vielleicht der eine oder andere wagemutige Fonds finden.

Offenlegung von eigenen Positionen

Ich halte keine Position (direkt oder über Derivate) in der in dem Artikel behandelten Aktie.

Offenlegung von Geschäftsbeziehungen

Ich habe diesen Artikel selbst geschrieben und meine eigene Meinung wiedergegeben. Ich erhalte keine Vergütung für diesen Artikel (außer ggf. von Spekunauten). Ich habe keine Geschäftsbeziehungen mit einem der im Artikel genannten Unternehmen.

    Kommentare (1)

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    Wieder ein echter Blaues-Hufeisen-Artikel: ausführlich und fundiert recherchiert mit weiterführenden Quellenangaben, das Wesentliche herausgearbeitet und nachvollziehbare Handlungsempfehlungen. Super! Werde mich bei einem Rutsch unter 10 bei Nordex auf die Lauer legen.

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11 Kommentare