Einst als Tiger gestartet...

07.11.2017 | Artikel über Intershop Communications (DE000A0EPUH1) von MMeier

Zusammenfassung

  • Intershop galt einstmals am Neuen Markt als große Nummer und wurde sogar als neue SAP gefeiert
  • Das Platzen der "Dotcom Bubble" sowie Managementfehler führten jedoch zu einer tiefen Krise
  • Daher verließ Gründer Stephan Schambach das Unternehmen und wurde mit Demandware erfolgreich
  • Ein großes Comeback traue ich Intershop nicht mehr zu, ein kleines Comeback jedoch schon!

Einschätzung

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Unternehmensgeschichte und -profil

Die heutige Intershop Communications AG wurde einst unter dem Namen NetConsult Communications GmbH von Stephan Schambach, Karsten Schneider und Wilfried Beeck gegründet. Geschäftszweck war dabei zunächst der Handel mit PCs. In einem m.E. sehr interessanten Interview, siehe: https://www.youtube.com/watch?v=t0IfmKOukOE beschrieb er die schwierige Anfangszeit und wie er mit seinem alten Auto durchs Land zog um Kunden zu gewinnen. Irgendwann entdeckten Schambach und Co. das Internet als neue Vertriebsplattform und wollten in den eCommerce einsteigen. So wurde im Frühjahr 1994 die erste Version der Intershop-Software vorgestellt, die gleich sehr gute Kritiken bekam. Fortan vertrieb man daher nicht mehr PCs, sondern setzte voll auf diese Software. So gewann man den Otto Versand sowie Hewlett Packard als strategische Partner und expandierte von Jena aus in die ganze Welt, ja bis ins Silicon Valley.

Schließlich erfolgte dann am 16. Juli 1998 der Börsenagng am Neuen Markt. Die Aktien wurden zu 100 DM, umgerechnet also 51,13 Euro, ausgegeben und stiegen gleich in den ersten Handelstagen auf über 250 DM (ca. 127,82 Euro). Anschließend fiel der Kurs jedoch längere Zeit immer weiter ab und hatte sich im Tief nahezu auf den Ausgabekurs halbiert. Die "Prior Börse" titelte seinerzeit schon, dass Intershop "als Tiger gesprungen und als Bettvorleger geendet" sei. Doch dann begann die "Dotcom Bubble" in den USA richtig Fahrt aufzunehmen und zog auch den Neuen Markt in Deutschland mit. So entwickelte sich Intershop zu einem der größten Highflyer am Neuen Markt und notierte in der Spitze, splittbereinigt (es gab seinerzeit einen 5-für-1 sowie einen 3-für-1 Aktiensplitt, insgesamt also 15-für-1) auf über 2.000 Euro.

 

Kleine persönliche Geschichte am Rande

Ich war damals noch nicht so lange an der Börse und hatte als erste Aktien die Papiere der - damals wie heute - Weltkonzerne Continental, McDonald's, Microsoft und Nike gekauft. Durch die Kursrally am Neuen Markt angezogen entschied ich mich jedoch im Juli 1998 zum Verkauf und investierte all mein Geld in Intershop. Dies zahlte sich auch aus, zumal ich die Aktie im März 2000 und damit nahezu auf dem Höhepunkt der "Dotcom Bubble" verkauft hatte. Ich leistete mir daher seinerzeit - im Alter von gerade mal 21 Jahren - einen 320er BMW (150 PS), hielt mein Geld sonst jedoch zusammen. Leider stieg ich dann einige Monate später nochmal in Neue Markt-Werte, u.a. Phenomedia ("Moorhuhn Aktie") ein und verlor so einen Teil des Geldes wieder. Dennoch kann ich wohl mit Fug und Recht behaupten, dass ich einer von wahrscheinlich nur wenigen Privatanlegern war, der mit einem Gewinn aus dem Neuen Markt ausgestiegen ist.

Dabei erfolgte der Ausstieg im März 2000 durch eine Nacht-und-Nebel-Aktion. Denn da ich eines Nachts nicht schlafen konnte, setzte ich mich an den Rechner und recherchierte zu verschiedenen Aktien. Dabei fiel mir auf, dass Intershop für das seinerzeit laufende Geschäftsjahr einen Jahresumsatz von erstmals über 100 Mio. Euro bei einem etwa ausgeglichenen operativen Ergebnis plante. Dagegen stand ein Börsenwert von über 10 Mrd. Euro, woraus sich ein KUV von fast 100 sowie ein KGV von weit über 1.000 errechnete. Noch krasser aber war für mich: Intershop war damit an der Börse mehr wert als die Deutsche Lufthansa und ThyssenKrupp, also zwei DAX-Konzerne, zusammen. Dies kam mir doch etwas spanisch vor - und so entschied ich mich auf den Sell-Knopf zu drücken, was im Nachhinein eine sehr gute Entscheidung war.

 

Unternehmensentwicklung - in Erinnerung bleibt die schockierende Gewinnwarnung 2001

Von 1998 bis Ende des Jahres 2000 entwickelte sich das Unternehmen sehr gut. Zwar wurden in den ersten Monaten nach dem Börsengang die eigenen Planungen noch leicht verfehlt, weshalb die Aktie ja auch anfangs noch nicht rund lief. Spätestens mit der Vorstellung der neuen Intershop Enfinity-Software in New York und den tollen Kritiken von Seiten der Branchenexperten sowie der Fachpresse kannte die Aktie kein Halten mehr. So wurde Intershop zu Hochzeiten des Neuen Marktes als "neue SAP" gefeiert und galt manch einem Anleger sogar ernsthaft als DAX-Kandidat, was angesichts der Marktkapitalisierung (ich erinnere noch einmal an Lufthansa und ThyssenKrupp) ja sogar gerechtfertigt erschien. Obwohl man nach neun Monaten des Geschäftsjahres 2000 noch einen Umsatz von 93 Mio. Euro bei einem operativen Verlust von 7,4 Mio. Euro vermeldet hatte, verkündete der Gründer und CEO Stephan Schambach auf der anschließenden Analystenkonferenz, dass man am Ende des Jahres die eigenen Planungen einhalten und einen Jahresumsatz zwischen 133 und 143 Mio. Euro (in Q4 also einen Umsatz zwischen 40-50 Mio. Euro) sowie ein nahezu ausgeglichenes Ergebnis vermelden werde.

Am 2. Januar 2001 dann, nur einen Tag nach Neujahr, kam schließlich die krasse Hiobsbotschaft. So reduzierte Intershop damals seine Umsatzerwartung für das vierte Quartal von bisher 40-50 Mio. Euro auf 28-30 Mio. Euro (entsprach also fast einer Halbierung, weshalb es vielen Anlegern auch schwer fiel dem Vorstand zu glauben, dass er das nicht vorher bemerkt habe). Zugleich wurde natürlich auch die Ergebnisprognose deutlich eingedampft. Hatte man zuvor noch - im Best Case - die Erreichung des Break-Even in Aussicht gestellt, sollte der Nettoverlust alleine in Q4 nun zwischen 30 und 32 Mio. Euro liegen und damit sogar den Umsatz übertreffen. Anstatt des Break-Even sollte so am Jahresende ein Nettoverlust zwischen 37 und 39 Mio. Euro respektive 0,44 bis 0,47 Euro je Aktie in den Büchern stehen. Die Aktie brach infolge der Gewinnwarnung, von deren Notwendigkeit CEO Stephan Schambach im Flugzeug nach Deutschland erfahren haben will, um ca. -65% ein. Am Ende des Geschäftsjahres wurden selbst die reduzierten Erwartungen noch unterboten, weshalb die Aktie - bis auf eine kurze Gegenbewegung seinerzeit - seitdem nie wieder so richtig auf die Beine kam. Oder um es mit Warren Buffett zu sagen: Sich Vertrauen zu erarbeiten dauert Jahre, aber Vertrauen zerstören geht in Sekunden!

Zwar blieb CEO Stephan Schambach noch einige Zeit an Bord und versuchte das Ruder herum zu reißen. Dies gelang ihm jedoch nicht und so nahm er irgendwann seinen Hut. Allerdings durfte er dabei Teile des Software Codes mitnehmen und gründete darauf aufbauend den Intershop-Konkurrenten Demandware in den USA. Demandware schaffte Jahre später erfolgreich den Gang an die NASDAQ und entwickelte sich anschließend positiv. Letztlich wurde Demandware dann von Salesforce.com geschluckt, so dass diese Neugründung Schambach wohl zum Milliardär machte.

              
Stephan Schambach, Intershop und Demandware Gründer

Bei Intershop in Jena dagegen versuchte sich der Mitgründer und ehemalige CFO Winfried Beeck als CEO, hatte aber ebenfalls keinen Erfolg. Er verließ Intershop daher ebenfalls, wobei er das für Intershop selbst nicht besonders interessante Privatkundengeschäft "mitnehmen" durfte. Seine neue Firma, in der er diese Aktivitäten gebündelt hatte (ePages) wurde jedoch nie so erfolgreich wie Intershop zu Spitzenzeiten und dementsprechend auch nicht so erfolgreich wie Schambachs Demandware.

Im eingangs bereits verlinkten Interview gestand Schambach nachträglich, dass er wusste, dass er Intershop eigentlich hätte komplett umkrempeln müssen, um das Unternehmen wieder auf die Erfolgsspur zurück zu führen. Dagegen gab es jedoch massive Widerstände, weshalb er ging und Demandware aufbaute. Der Erfolg von Demandware zeigte daher im Nachhinein exemplarisch, was bei Intershop unter einem frei schaltenden CEO Schambach vielleicht wieder möglich gewesen wäre. Aber wäre, wäre, Fahrradkette, wie Lothar Matthäus so schön sagte...

Während die Geschäfte bei Intershop also mehr schlecht als recht vor sich hindümpelten, kaufte sich ein Millionär aus dem Kölner Raum groß ein und versuchte die Entwicklung des Unternehmens zu beeinflussen. So versuchte Intershop zeitweise bspw. den Einstieg in das sogenannte Fulfillment, d.h. man hätte nicht mehr nur die eCommerce-Software zur Verfügung gestellt, sondern auch die Produkte der Kunden eingelagert und wäre somit auch für deren Versand sowie die etwaige Rückgabe zuständig gewesen. Damit folgte man dem ebenfalls angeschlagenen ehemaligen US-Internet-Beteiligungsunternehmen CMGI, dass diesen Schritt ebenfalls gehen wollte (CMGI firmiert heute unter ModusLink und kommt ebenfalls nicht wieder auf die Beine).

Es wurde jedoch schnell klar, dass Intershop sich damit übernehmen würde und daher wurde dieses Projekt schnell wieder beerdigt. Der heute nahezu einzig erfolgreiche Konzern im Fulfillment-Bereich (neben Logistikern wie der Deutschen Post) ist, wie sollte es auch anders sein?, Amazon.com. Allerdings hatte und hat Amazon halt auch das Kapital dazu!

Anschließend kaufte sich der US-eCommerce-Software-Spezialist GSI Commerce bei Intershop ein. Kurze Zeit später wurde GSI Commerce dann jedoch seinerseits für 2,4 Mrd. US-Dollar von eBay geschluckt, so dass eBay zum Großaktionär von Intershop wurde. eBay benannte GSI Commerce zunächst in eBay Enterprise um, verabschiedete sich jedoch einige Zeit später wieder. Heutzutage firmiert die ehemalige GSI Commerce unter dem Namen Radial, ist aber (noch) nicht börsen-notiert. Bei Intershop führt nun hingegen CEO Dr. Jochen Wiechen die Geschäfte - und das Unternehmen hoffentlich endlich wieder in ruhigere Fahrwasser.

Essentiell dabei ist, dass sich Intershop endlich entscheidet was das Geschäftsmodell sein soll (eCommerce-Software) und sich darauf fokussiert seine Software erfolgreich zu vertreiben. Denn nur wenn viele Kunden auf die eCommerce-Software von Intershop setzen, erzielt man daraus wiederkehrende Umsätze. Dabei ist die Fokussierung auf die Cloud m.E. noch zu schwach ausgeprägt, aber noch scheint es mir nicht zu spät dies zu ändern. Werfen wir damit mal einen Blick auf die Umsatz- und Gewinnentwicklung der Jenaer zuletzt.

       
       Jentower, zuvor Intershop Tower
(Symbol der Exzesse der New Economy)

 

Umsatz- und Gewinnentwicklung zuletzt und in Zukunft

Geschäftsjahr (Ende Dezember) 2014 2015 2016 2017e 2018e 2019e
Jahresumsatz (in Mio. Euro) 46,20 42,70 34,20 36,50 40,10 43,25
Umsatzwachstum -13,8% -7,6% -19,9% +6,7% +9,9% +7,9%
Gewinn je Aktie (in Euro) -0,22 0,00 -0,09 0,01 0,03 0,06
Gewinnwachstum    Verlust
verdoppelt
    -      -      - +200% +100%

Quelle: Onvista und eigene Schätzungen


Wie man hier erkennen kann, liefen die letzten Jahre für Intershop nicht besonders gut. Das Unternehmen befindet sich im Prinzip seit 2013 auf Schrumpfkurs und wird erst im laufenden Geschäftsjahr erstmals wieder den Umsatz steigern können. Diese schlechte Zeit hat sich natürlich auch in der Bilanz ausgewirkt. So drücken die Gesellschaft Verbindlichkeiten in Höhe von über 10 Mio. Euro, wobei diese zuletzt wieder sukzessive reduziert wurden. Alles in allem sehe ich jedoch - auch aufgrund der guten Eigenkapitquote von zuletzt 63% (zuvor: 59%) - keinerlei Bestandsgefahr für das Unternehmen. Auch gut finde ich persönlich, dass sich die Kleinaktionäre unter Führung des ehemaligen n-tv Journalisten Roland Klaus zusammen geschlossen und gewissen Großaktionären in der Vergangenheit mit Hilfe der Bündelung ihrer Stimmrechte Paroli geboten haben, siehe dazu: HV-Initiative.

 

Fundamentale Bewertung

Aktuell beträgt die Marktkapitalisierung der Gesellschaft nur noch nur 67,5 Mio. Euro. Wenn man bedenkt, dass dies einstmals ein Unternehmen mit einem Börsenwert von über 10 Mrd. Euro war, wirkt das wie ein Witz. Um die damalige Bewertung zu Zeiten der New Ecomomy zu erreichen, müsste die Aktie auf weit über 300 Euro steigen. Ich nehme es an dieser Stelle vorweg, das ist natürlich völlig unrealistisch und wird nicht passieren. Allerdings ist die gegenwärtige Bewertung mit einem KUVe von ca. 1,85 bei noch keinem KGV relativ niedrig. Große Softwarekonzerne wie Microsoft weisen hier bekanntlich Werte von über fünf auf und direkte Wettbewerber wie bspw. Salesforce (nicht umsonst haben die seinerzeit Demandware geschluckt) werden sogar mit KUVs zwischen 7 und 8 bewertet. Von eher vergleichbaren, weil noch kleineren Anbietern wie Shopify fange ich jetzt gar nicht erst an.

Mit anderen Worten kann ich somit behaupten: Fundamental ist Intershop heute, anders als noch zu Zeiten des Neuen Marktes anno 2000, vergleichsweise günstig bewertet und könnte durchaus auch bei 4 Euro oder 5 Euro notieren. Warum es die Aktie nicht tut, hat jedoch m.E. zwei gute Gründe. Zum einen hat das in der Vergangenheit oftmals wechselnde Topmanagement viel Vertrauen verspielt, was sich das Team um CEO Dr. Wiechen jetzt mühsam zurück erarbeiten muss. Zum anderen müsste Intershop in absehbarer Zeit profitabel werden (die Chance besteht!), aber das auch bleiben und mal einige Jahre in Folge den Gewinn steigern. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Aktuell sieht es zwar danach aus, aber aktuell haben wir auch eine weltweit brummende Konjunktur, nahezu Nullzinsen und Notenbanken, die trotzdem weitestgehend noch immer eine expansive Geldpolitik fahren (EZB, Bank of Japan).

Insofern wird das eine schwierige Aufgabe, die ich Herrn Dr. Wiechen jedoch zutraue. Allerdings wird er über kurz oder lang dann nicht an Entscheidungen bzgl. einer weltweiten Expansion vorbei kommen, an der sich Intershop schon einmal versucht hatte, aber leider gescheitert ist. So wird man als rein auf Europa und in erster Linie Deutschland fokussierter Anbieter wohl keine große Zukunft haben, zumal die neuen Trends in erster Linie im Silicon Valley gesetzt werden. Und den asiatischen Markt mit dem langsam wieder boomenden Japan sollte Intershop auch nicht kampflos anderen überlassen. Die Gefahr dabei ist jedoch, dass man erneut scheitert und das könnte im Zweifel sogar das Aus für das Unternehmen bedeuten. Umso besser, dass man mit der bekannten Shareholder Value Management AG einen treuen Großaktionär hat (24,90% des Aktienkapitals). Auch eine Übernahme des Unternehmens durch einen größeren Anbieter käme daher natürlich in Frage, ein Übernahmepreis dürfte dabei irgendwo um 3,50 Euro liegen (Minimum).

 

Charttechnik: Kürzliches Kaufsignal ermöglicht kurzfristiges Kursziel von 2,50 Euro!

Intershop Communications AG, Chart, 2 Jahre (in Euro)

Quelle: Guidants


Wie man dem Chart unschwer entnehmen kann, lag der Boden der Aktie zu Jahresende 2016/Jahresanfang 2017 im Bereich um 1,00 Euro. Seitdem hat sie sich sukzessive nach oben entwickelt, prallte aber mehrfach am Widerstand um 1,80 Euro ab. Wie von mir erwartet, konnte sie jedoch im fünften Versuch endlich charttechnisch ausbrechen und hat damit ein Kaufsignal mit Kursziel 2,50 Euro aktiviert. Kurzfristig gab es dabei nochmal ein Pullback auf den Ausbruchspunkt, womit dieser erfolgreich bestätigt wurde. Mit aktuell 2,13 Euro ist die Aktie schon ein gutes Stück in Richtung des Kursziels voran gekommen. Kurzfristig sind Rücksetzer in Richtung 2,00 Euro möglich, letztlich wird aber wohl die Marke von 2,50 Euro erreicht. Zumal die Aktie ja, wie eben besprochen, fundamental eher günstig bewertet ist.

 

Fazit: Rücksetzer in Richtung 2,00 Euro kaufenswert, kurzfristiges Kursziel 2,50 Euro, langfristiges Kursziel zwischen 3,50 und 4,00 Euro

Als Fazit bleibt, dass Intershop am Neuen Markt bei einigen Anlegern, so auch bei mir, Träume weckte bzw. sogar erfüllte (immerhin war ein 320er BMW drin). Ich gebe auch gerne zu, dass ich dem Unternehmen damals auch eine große Zukunft und eine Aufnahme in den DAX zutraute. Auch war ich mir beim Verkauf völlig unsicher. Denn zwar sah ich die hohe Bewertung, andererseits dachte ich aber auch: wenn sie tatsächlich ihre Planungen einhalten und anschließend den Umsatz noch zwei Mal verdoppeln, sind sie eine Company mit einem Jahresumsatz von über 500 Mio. Euro und - wie bei erfolgreichen Softwarekonzernen ja üblich - entsprechend hohen Gewinnen. Die Spekulationsblase erkannte ich zwar, war mir aber unsicher ob und wann sie platzen würde. Und die Gewinnwarnung oder dann die Terroranschläge vom 11. September 2001 lagen ja noch in weiter Ferne.

Rückblickend muss man daher sagen, dass das Drücken des Sell-Knopfes auch ein wenig Glück war, wie ja auch die spätere Fehlspekulation mit Phenomedia zeigte. Dennoch war der Neue Markt eine schöne Zeit, zumal ich damals ja auch noch jung war und exzessiv traden konnte. Heute würde ich manches (wie z.B. den Einstieg bei Phenomedia) nicht mehr machen und man kann sich auch die Frage stellen, ob ich nicht langfristig einfach die vier ersten Aktien (Continental, McDonald's, Microsoft und Nike) nicht einfach hätte behalten sollen. Aber gut, so ist es nun einmal passiert und zumindest habe ich dadurch viel gelernt und in relativ kurzer Zeit mehr Erfahrungen gesammelt als andere in zehn Jahren. Auch deshalb gieße ich zurzeit gerne etwas Wasser in den Wein. Zwar sehe ich die Märkte noch weiter steigen, je schneller es nun jedoch nach oben geht, desto größer die anschließende Korrektur und damit der Katzenjammer. Aber bedenken Sie: Die Börse kann kurzfristig verrückt spielen (ich zitiere dazu einfach mal den großen John Maynard Keynes: "Märkte können länger irrational bleiben als Sie liquide"). Aber langfristig hat die Börse doch immer Recht (die schlechten Unternehmen des Neuen Marktes, zum Teil sogar Betrugsfirmen, sind heute alle ausgesiebt, die guten Firmen stehen auf Mehrjahres- oder sogar Allzeithochs, die Deutschen sollten der Selbstheilungskraft des Marktes auf lange Sicht daher endlich mal mehr Vertrauen schenken!).

Aber zurück zu Intershop! Während man sich am Neuen Markt noch um die Aktie geprügelt hat und sie so auf - rückblickend - absurde Höhen getrieben hat, will heute kaum noch jemand das Papier. Dabei ist die Aktie heute mit einem KUVe von unter 2 vergleichsweise günstig, auch und besonders im Peer Group Vergleich. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass sich die auf unterbewertete Smallcaps spezialisierte Shareholder Value Management AG mit knapp 25% des Aktienkapitals an dem Unternehmen beteiligt hat. Bisher war das kein so schlechter Deal und er könnte in Zukunft noch besser werden. Zwar ist die Aktie kurzfristig an der oberen Trendkanalbegrenzung des kurzfristigen Aufwärtstrends angekommen, so dass kurzfristig nochmal Rücksetzer in Richtung 2,00 Euro oder knapp darunter möglich wären. Anschließend aber sollte das Kursziel bei 2,50 Euro abgearbeitet werden. Vorausgesetzt Dr. Wiechen und Co. machen weiter einen ordentlichen Job, hat die Aktie anschließend auch noch weiteres Kurspotenzial.  Zwar dürfte sie nach Erreichung des 2,50 Euro etwas konsolidierung (zwischen 2,30 und 2,60 Euro seitwärts laufen), mittelfristig halte ich aber Kursziele bis zu 3,50 Euro für möglich. Mit einem Übernahmeangebot könnten es auch 4,00 Euro oder mehr werden.

Nach unten hin liegen die charttechnischen Supports bei 1,80 Euro, um 1,50 Euro sowie um 1,00 Euro. Fundamental glaube ich nicht, dass die Aktie so schnell wieder in diese Regionen zurückfallen wird. Es sei denn die Geschäfte brechen wirklich heftig ein, was derzeit unwahrscheinlich ist. Denn der aktuelle Jahresumsatz entspricht nahezu dem Basisumsatz, den die über Jahre treuen Kunden dem Unternehmen nahezu garantieren (so schnell wechseln die ihre eCommerce-Plattform nicht, da dies nicht nur mit hohen Kosten, sondern auch technischen Problemen verbunden sein könnte). Alles in allem finde ich das Chance/Risiko-Verhältnis (CRV) bei der Aktie durchaus interessant. Alles in allem sehe ich die Aktie daher um oder leicht unter 2,00 Euro nach wie vor als Kaufkandidaten...

PS: ich habe mir mal den Hinweis, dass Intershop nach den DDR-Intershops benannt wurde, gespart. Aber zum Schluss dann doch noch der Hinweis. ;)

Offenlegung von eigenen Positionen

Ich halte keine Position (direkt oder über Derivate) in der in dem Artikel behandelten Aktie.

Offenlegung von Geschäftsbeziehungen

Ich habe diesen Artikel selbst geschrieben und meine eigene Meinung wiedergegeben. Ich erhalte keine Vergütung für diesen Artikel (außer ggf. von Spekunauten). Ich habe keine Geschäftsbeziehungen mit einem der im Artikel genannten Unternehmen.

Kein Spekunaut hat diese Aktie im Portfolio

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    Kommentare (4)

  • JojoMN vor über 5 Jahren

    Super Artikel

  • InterRonny vor über 6 Jahren

    Sehr gut geschrieben MMeier! Jetzt gibt's ja gerade wieder gute EKs 😀

    MMeier vor über 6 Jahren

    Unter 2 Euro prinzipiell ja...

  • Ray123 vor über 6 Jahren

    Eine sehr gute und ausführliche Analyse! Mein Kompliment.

    Die Zahlen fürs erste Halbjahr 2017 waren bei Intershop ja ganz in Ordnung: Keine Verluste mehr – und ein ordentlich gewachsener Umsatz. Auch die Verwaltungskosten hat man um 100.000 EUR drücken können genauso die Kosten im Bereich Forschung und Entwicklung. Für die zweite Jahreshälfte wollte der CEO keine konkreten Zahlen nennen sondern verwies nur darauf, dass man die Ziele einhalten könne, wenn an der weiteren Unternehmensentwicklung strukturiert gearbeitet wird.

    MMeier vor über 6 Jahren

    Die F&E Kosten dürften ruhig etwas höher sein. Wichtig wäre mir, dass das Unternehmen endlich mal die Umsätze mit Lizenzen steigert. Oder aber endlich komplett auf die Cloud setzt... ;)

    Ray123 vor über 6 Jahren

    Was nicht ist, kann ja noch werden :)
    Das Unternehmen macht ansonsten einen forschen Eindruck und wird seinen Weg gehen...

    MMeier vor über 6 Jahren

    Zumindest wäre sie interessant für einen Käufer. Wäre keine allzu große und besonders keine teure Sache!

  • nugget vor über 6 Jahren

    Informativ und unterhaltsam. Danke!

    busdriver08 vor über 6 Jahren

    Schliesse mich dem an, sehr gut geschrieben...

    MMeier vor über 6 Jahren

    Vielen Dank euch beiden!! ;)

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