Wann sind die Shortseller fertig?

14.11.2017 | Artikel über Evotec (DE0005664809) von HBMännchen

Zusammenfassung

  • Evotec ist, mal wieder, ein Überlebender des Neuen Marktes
  • Einst von Kurt Ochner geadelt, sah es zwischenzeitlich düster aus
  • Unter CEO Dr. Werner Lanthaler gelang das Comeback, Evotec wurde eine Momentum-Aktie
  • Doch die fundamentale Überbewertung rief Shortseller auf den Plan, die die Aktie zuletzt unter Druck setzten

Einschätzung

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Unternehmensgeschichte und -profil

Evotec ist ein deutsches Biotechnologie-Unternehmen mit Hauptsitz in Hamburg. Die Gesellschaft ist im Bereich der Wirkstoffforschung und -entwicklung tätig. Um jedoch das Risiko zu minimieren hat man, ganz nach dem Vorbild von MorphoSys, umfangreiche Forschungs- und Entwicklungspartnerschaften mit größeren Biotechnologie- und Pharma-Konzernen wie Bayer, Boehringer Ingelheim, Genentech, Hoffmann-La Roche und besonders Sanofi abgeschlossen. Evotec ist dabei

Gegründet wurde Evotec unter dem Namen Evotec BioSystems 1993 von Nobelpreisträger Manfred Eigen sowie den Wissenschaftlern Karsten Henco, Ulrich Aldag, Freimut Leidenberger, Heinrich Schulte, Rudolf Rigler und Charles Weissmann in Hamburg. Zunächst konzentrierte man sich auf das Ultra-Hochdurchsatz-Screening, für dessen Durchführung man mit EVOscreen® eine eigene Technologie entwickelt hatte. 1999 ging die Gesellschaft dann an den Neuen Markt und wurde dort zunächst begeistert empfangen, auch aufgrund wohlwollender Kommentare durch den damaligen Star-Fondsmanager Kurt Ochner ("Pate des Neuen Marktes"). So übernahm man in der damaligen Euphorie die britische Oxford Asymmetry International, kurz OAI und wurde dadurch zu Evotec OAI. 2005 wurde der Name dann in Evotec geändert.

Bereits 2002 untergliederte sich die Gesellschaft in die zwei Geschäftsbereiche "Discovery and Development Services" sowie "Tools and Technologies". Letzterer Geschäftsbereich wurde schließlich in die Evotec Technologies GmbH eingebracht und diese anschließend an die US-amerikanische Perkin Elmer verkauft. Somit konzentrierte sich Evotec fortan ausschließlich auf die Forschung und Entwicklung neuer pharmazeutischer Wirkstoffe. 2008 übernahm man die US-amerikanische Renovis sowie 2009 70% der indischen RSIPL und das Zebrafisch-Screening-Geschäft der ebenfalls indischen Summit Corp.

2010 folgte mit dem Kauf der DeveloGen der nächste Coup. Für den innerdeutschen Konkurrenten musste man, son kurz nach der Finanzkrise, nur 14 Mio. Euro auf den Tisch legen. Seit dieser Zeit fungiert Cord Dohrmann als Chief Scientific Officer des Unternehmens, also als wissenschaftlicher Leiter. 2011 folgten mit der Übernahme der Kinaxo Biotechnologies GmbH sowie von Teilen der BioFocus zwei weitere Akquisitionen. Anschließend war der Hunger der Hamburger erst einmal gestillt, ehe dann zum 30. Juli 2017 die Akquisition der US-amerikanischen Aptuit zum Kaufpreis von umgerechnet ca. 256 Mio. Euro bekanntgegeben werden konnte.

 

Unternehmensentwicklung: Mit Dr. Werner Lanthaler zurück in der Spur!

Nach dem Abenteuer am Neuen Markt sah es zeitweise nicht so gut für Evotec aus. So geriet die Aktie insbesondere in der Finanzkrise 2007-2009 noch einmal unter Abgabedruck und notierte im Tief deutlich unter 1,00 Euro (Pennystock). Das war natürlich kein Vergleich mehr zu den Spitzenzeiten des Neuen Marktes, als die Aktie im Hoch noch knapp unter 100 Euro notiert hatte. Schließlich übernahm jedoch im März 2009 der Österreicher Dr. Werner Lanthaler, zuvor seines Zeichens Finanzchef beim österreichischen Biotechnologie-Unternehmen Intercell, den Posten als CEO von Evotec.

Zum Zeitpunkt seiner Amtsübernahme lag der Aktienkurs bei nur 0,70 Euro. Kürzlich lag er in der Spitze wieder über 22,50 Euro und selbst aktuell hat sich die Aktie unter dem seinerzeit neuen CEO knapp verzwanzigfacht. Man kommt daher nicht umhin Herrn Dr. Lanthaler eine hervorragende Arbeit zu attestieren. Konkret führte der Österreicher, der u.a. in Harvard studiert hatte, das Unternehmen sukzessive zurück in die Erfolgsspur. Dabei scheute er sich auch nicht vor der ein oder anderen sinnvollen, jedoch nie zu teuren Übernahme - und steigerte so den Wert des Unternehmens immer weiter. Daher ist auch die letzte, für Evotecs Verhältnisse, große Übernahme von Aptuit durchaus positiv zu sehen. Evotec jedenfalls dürfte auch bzw. gerade mit der Hilfe von Aptuit das Wachstum (Top und Bottom Line) deutlich ankurbeln.

 

Umsatz- und Gewinnentwicklung zuletzt und in der Zukunft

Geschäftsjahr (per 31. Dezember) 2014 2015 2016 2017e(*) 2018e 2019e
Jahresumsatz (in Mio. Euro) 89,50 127,70 164,50 232,50 312,00 349,80
Umsatzwachstum +4,2% +42,7% +28,8% +41,3% +34,2% +12,1%
Gewinn je Aktie (in Euro) -0,05 0,13 0,20 0,28 0,42 0,54
Gewinnwachstum     -      - +53,8% +40,0% +50,0% +28,6%

(*) ab hier inklusive Aptuit

Quelle: Onvista und eigene Schätzungen


Ich habe extra angegeben, dass im laufenden Geschäftsjahr 2017e Aptuit anteilsmäßig und ab 2018e schließlich voll konsolidiert wird. Auch deshalb konnte Evotec natürlich seine eigenen Prognosen in diesem Jahr auf ein Umsatzwachstum von mindestens +40% (zuvor: mindestens +15%) sowie ein EBITDA-Gewinnwachstum von mindestens +50% anheben. Letztlich sollte der Gewinn je Aktie damit um +40% steigen können.

Die Übernahme von Aptuit ist dabei kein Mega-Schnäppchen, jedoch auch nicht völlig überteuert gewesen. Zuletzt erzielte Aptuit nämlich einen Jahresumsatz von umgerechnet 88 Mio. Euro und sollte diesen in den kommenden beiden Jahren auf umgerechnet 100 Mio. sowie 115 Mio. Euro steigern können. Evotec selbst dürfte hingegen weiter mit 10-15% p.a. wachsen können (beim Umsatz). Daraus ergeben sich dann meine eigenen Umsatz- und Gewinnschätzungen für 2018e und 2019e. Leider liegen noch kaum aktualisierte Analystenprognosen vor.

 

Fundamentale Bewertung: Kurzfristig war die Aktie tatsächlich viel zu teuer, aber...

Als Evotec vor gerade mal rund 4-5 Wochen bei über 22,50 Euro notierte, lag der Börsenwert bei ca. 3,32 Mrd. Euro. Demnach lag das KUV 2017e bei über 14 und das KGV bei über 80. Das war natürlich viel zu viel. Folglich rief das auch mehrere aggressive Leerverkäufer auf den Plan. Insbesondere Lakewood Capital Management tat sich dabei hervor und rief sogar ein Kursziel von unter 10 Euro aus. Okay, die 22,50 Euro waren - wie ja schon geschrieben - deutlich zu viel. Aber bei unter 10 Euro läge der Börsenwert nur noch bei knapp 1,5 Mrd. Euro und somit das KUV 2017e nur noch bei ca. 6 sowie das KGV 2017e bei nur noch rund ca. 35. Das mag auf den ersten Blick sogar immer noch hoch erscheinen, ist aber in der Biotech-Branche tatsächlich eher günstig - ich denke zu günstig!

Angesichts eines durchschnittlichen Umsatzwachstums von 10-15% p.a. sowie eines durchschnittlichen Gewinnwachstums von über +20% p.a. (CAGR) würde ich ein KGV von 35 als unterstes Limit ansehen und der Aktie eigentlich sogar ein KGV von bis zu 40 zugestehen. Zudem neigt sich das Jahr 2017 langsam dem Ende zu, so dass man zur Bewertung die Schätzungen für 2018e heranziehen müsste. Und wer auf Sicht mindestens eines Jahres investiert, muss eigentlich sogar schon die Schätzungen für 2019e nehmen.

Lege ich auf die Gewinnschätzungen für 2018e ein KGV von 35 an, erhalte ich einen (gegenwärtig) fairen Wert der Aktie von 35x 0,42 Euro und somit 14,70 Euro. Mit einem KGV 2018e von 40 steigt dieser sogar auf 40x 0,42 Euro und somit 16,80 Euro. Aktuell liegt der fundamental faire Wert der Aktie also irgendwo zwischen 14,70 und 16,80 Euro - bleiben wir mal konservativ und nehmen 15,00 Euro.

Auf Sicht eines Jahres steigt dieser fundamental faire Wert dann auf 35x 0,54 Euro = 18,90 Euro bis 40x 0,54 Euro = 21,60 Euro, bleiben wir auch hier einigermaßen konservativ also 20,00 Euro. Insofern halte ich das von den Shortsellern ausgegebene Kursziel von unter 10 Euro für übertrieben pessimistisch und würde zu solchen Schnäppchenpreisen gerne zugreifen.

 

Charttechnik: Vom Momentum-Monster zum Short-Opfer!

Evotec, Chart, 1 Jahr (in Euro) (Quelle: comdirect)


Wie jeder weiß, bin ich kein großer Charttechniker. Zwar handele ich ungern gegen die Charttechnik, aber verlasse mich auch nicht blind darauf. Charttechniker haben zuletzt jedoch eine Unterstützung bei 14,71 Euro ausgemacht und damit quasi auf der Höhe des fundamental ermittelten fairen Mindestwertes. Allerdings waren die Shortseller stärker und haben die Aktie inzwischen schon weiter zurückgeworfen. Es kann durchaus sein, dass diese - auch mit Hilfe der Medien - es noch schaffen die Aktie unter die runde Marke von 10,00 Euro zu drücken. Dann aber böte sie auf Sicht eines Jahres in etwa eine Verdopplungschance. Ob das aber gelingt ist nicht sicher. Vielmehr gibt es im Chart auch noch eine Unterstützung im Bereich 12,00 Euro bis 12,50 Euro. Dreht die Aktie hier, wäre zumindest eine Gegenbewegung bis 14,70 Euro oder sogar 15,00 Euro möglich. Aktuell ist ein Einstieg auf jeden Fall extrem spekulativ, zumal man den Stoppkurs eigentlich unter 10,00 Euro setzen müsste. Daher kann man durchaus noch ein wenig abwarten. Dann aber könnte es genauso gut passieren, dass die Aktie doch vorher dreht und man den Einstieg komplett verpasst. Alles in allem würde ich daher gegenwärtig nur ein Drittel bis maximal die Hälfte der geplanten Position kaufen. Dreht die Aktie nach oben, ist man dann schon dabei und kann den nächsten Rücksetzer zum Nachkauf nutzen. Dreht sie nicht nach oben, kann man zwischen 12,00 und 12,50 Euro sowie um 10,00 Euro nochmal sein Glück versuchen.

 

Fazit: Wundersame Veränderung in der Einstellung der Anleger!

Noch Anfang Oktober, als die Aktie über 22,50 Euro notierte und viel zu teuer war, prügelten sich die Anleger quasi um diese Aktie. Dann kamen die Shortseller und plötzlich wird sie fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Aus meiner Sicht ist beides falsch. War die Aktie bei 22,50 Euro und mehr noch zu teuer, ist sie heute prinzipiell zu günstig. Das Problem ist nur die noch fehlende Bodenbildung. Sollte diese gelingen, wäre die Aktie sehr interessant. Denn auf Sicht eines Jahres liegt das Kursziel, wie beschrieben, bei rund 20,00 Euro. Hier heißt es daher: Augen auf und beobachten, bei Zeiten zuschlagen und dann einfach mal ein Jahr warten. Dr. Werner Lanthaler und sein Team werden das Kind schon schaukeln!

Offenlegung von eigenen Positionen

Ich halte keine Position (direkt oder über Derivate) in der in dem Artikel behandelten Aktie.

Offenlegung von Geschäftsbeziehungen

Ich habe diesen Artikel selbst geschrieben und meine eigene Meinung wiedergegeben. Ich erhalte keine Vergütung für diesen Artikel (außer ggf. von Spekunauten). Ich habe keine Geschäftsbeziehungen mit einem der im Artikel genannten Unternehmen.

    Kommentare (5)

  • JojoMN vor über 5 Jahren

    Super Artikel

  • Ray123 vor über 6 Jahren

    Auch von mir ein dickes Lob für die gute Analyse!

    HBMännchen vor über 6 Jahren

    Danke!

  • Molto vor über 6 Jahren

    molto bene !

  • RJ vor über 6 Jahren

    Sehr guter Artikel, gefällt mir. Werde Evotec weiter beobachten. War bereits mal zu 3.21 drin und bei 4.+ wieder raus.

    HBMännchen vor über 6 Jahren

    Schade, dass Du nicht durchgehalten hast...

  • CentTrader vor über 6 Jahren

    Danke für die erschöpfenden Informationen und Einschätzungen zu Evotec! Habe die Kursentwicklung in den letzten Tagen verfolgt und wollte mich eh so langsam näher mit Evotec beschäftigen. Durch diesen Artikel wurde mir eine Menge Recherchearbeit abgenommen. Hatte mir vom Chart her ebenfalls die Gegend um 12 Euro als möglichen ersten Einstieg vorgestellt und beobachte erstmal noch ein wenig weiter.

    HBMännchen vor über 6 Jahren

    Das sollte klappen mit dem Einstieg. Je näher Du an der 12 Euro kaufen kannst, desto besser. Lasst uns die Shorties verjagen!! ;-)

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