Was steckt hinter der Kursexplosion von 460% und ist das gerechtfertigt oder nur eine Eintagsfliege?

18.07.2017 | Artikel über Baumot Group (DE000A2DAM11) von Blaues Hufeisen

Zusammenfassung

  • Die Aktie stieg nach der Erwähnung ihrer Technologie in einem Bundestagsausschuss um fast 500%. Der Kurs ist übertrieben.
  • Die positiven Entwicklungen kommen fast ausschließlich aus Unternehmensquellen. Der faire Wert liegt bei maximal 1 Euro.
  • Schwierigkeiten wie die Insolvenz der 100% Tochter Kontec GmbH und ein verspäteter Jahresabschluss werden ignoriert.

Einschätzung

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In den letzten Monaten erlebte die Aktie des Abgasspezialisten Baumot Group, die frühere Twintec AG, ein wahres Kursfeuerwerk. Der Kurs stieg rasant von 0,50 auf 2,80 Euro.

Die Begleitmusik dafür lieferte eine vom Unternehmen entwickelte Technologie, die zur Nachrüstung von Dieselfahrzeugen eingesetzt werden kann und den Schadstoffausstoß auf neueste Richtlinien verbessert wie auf die Euro 6 Norm. Zahlreiche Medien im privaten und öffentlichen Fernsehen griffen das Thema auf und präsentierten die Wunder-Lösung für eine saubere Umwelt.

Baumot hat eine Antwort zur Nachrüstung von Dieselfahrzeugen

Das BNOx System bietet Dieselautos für 1.500 Euro eine ultimative Lösung für ein Upgrade bis zur Euro 6 Norm. Wobei Fahrzeuge ab der Stufe Euro 3 modernisiert werden könnten. Diesel-Fahrzeuge sind seit dem "Abgasskandal" von Volkswagen und anderen Automobilherstellern, die ihre Werte geschönt haben sollen, ein Thema. 

Der ADAC bestätigte die Wirksamkeit beim Test eines älteren Dieselfahrzeuges. Wobei als Nachteil einer niedrigeren Stickoxidemission offenbar eine 5% Verbrauchserhöhung hingenommen werden muss.

Am 30. Juni wurde von einem Bundestagsausschuss exakt diese technische Lösung für den Einsatz vorgeschlagen. Das war die Initialzündung für den Kurs und die Aktie stieg von 0,75 auf fast 3 Euro. 

Die radikalen Umwelt-Fanatisten der Politik arbeiten mittlerweile daran, die Diesel-Fahrzeuge aus den Innenstädten zu verbannen, wenn sie nicht die strikten Euro 6 Norm erfüllen. Das war ein Schlag ins Gesicht für Käufer von Neuwagen, die sich damit nicht mehr auf anhaltende Rechtssicherheit verlassen können. 

Letzte Chance für angeschlagenes Unternehmen

Obwohl sich auf den ersten Blick alles so toll liest, bleiben dennoch große Fragezeichen, bei dem Unternehmen und seiner Aktie. 

Es handelt sich bei BNOx um ein System, das potenziell mehrere Millionen KFZ nachrüsten könnte, die mit Euro 4 oder 5 fahren und der Baumot ein mögliches Umsatzpotenzial von mehreren Milliarden Euro ermöglichen würde.

Das hat die Marketingabteilung von Baumot sehr schnell ausgeschlachtet und ein Umsatzpotenzial von rund 3 Milliarden Euro prominent auf der eigenen Internetseite platziert.

Reale Zahlen geben wenig Hoffnung

Das wären alles starke Aussichten für ein Unternehmen, das 2015 erst rund 27 Mio. Euro Jahresumsatz und einen operativen Verlust (EBITDA) von -4 Mio. Euro aufwies, bei einer schmalen Eigenkapitaldecke von 10 Mio. Euro sowie einer Eigenkapitalquote von lediglich 30%, gemäß dem letzten Halbjahresbericht, der auch noch stark verspätet veröffentlicht wurde. 

Im Jahr 2016 soll zwar laut vorläufigen Zahlen ein Umsatz von 38 Mio. Euro erreicht worden sein, wobei dieses Wachstum fast ausschließlich auf die Konsolidierung der im Herbst übernommenen Kontec GmbH zurückgeführt werden kann. Das operative Ergebnis fiel mit minus 3,3 Mio. Euro immer noch negativ aus, so dass die Eigenkapitaldecke weiter geschrumpft sein dürfte. 

Am 16.01.2017 gab Twintec überraschend bekannt, dass ihre Tochtergesellschaft Kontec GmbH einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hätte.

Bezogen auf die Zahlen, ist die Aktie demnach katastrophal überbewertet.

Fragezeichen überall

Es ist außerdem sehr fraglich, ob das BNOx Abgassystem von Herstellern für die alleinige Nachrüstung einer großen Anzahl von Dieselfahrzeugen auf der Strasse eingesetzt werden wird.

Die Automobilhersteller selbst wollen ohnehin wohl lieber ein Software-Update der Motorsteuerung, um die teuren Hardware-Kosten zu vermeiden und würden im Zweifel wohl auch lieber auf eigene Produktlösungen setzen, statt sich auf die kapitalschwache Baumot Group zu verlassen.

Zumal die technische Seite der Umsetzung anscheinend doch nicht endgültig geklärt ist. So soll es noch Probleme bei der Prävention eines möglichen Ammoniak-Austritts geben, der bei den bisherigen Tests offenbar nicht gemessen wurde.

Meine Befürchtung ist, dass bevor ein solches System die Serienreife erreicht noch Jahre vergehen könnten. Ein unmittelbares Umsatz- und Gewinnpotenzial für das Unternehmen und ein Kurspotenzial für die Aktien dürfte daher nicht gegeben sein.

Fazit

Anleger beteiligen sich bei Baumot an einer Aktiengesellschaft, die stark mit einer insolventen Tochter verflochten ist und zurzeit eigentlich eine viel zu dünne Eigenkapitaldecke sowie Liquidität besitzt, um eine Sanierung durchzuführen, geschweige denn erfolgreich ein neues Produkt zu lancieren.

Die enorme Werbung für die Aktie könnte vermutlich ein Zeichen für eine bevorstehende Kapitalerhöhung sein. Die aktuelle Euphorie, besonders bei Kleinanlegern, wurde möglicherweise auch wegen der Beteiligungsverhältnisse geschickt von einer oder mehreren beteiligten Aktionärsgruppen eingefädelt.

Der Kurs ist extrem heiß gelaufen und ich rechne darum ab nun mit Enttäuschungen. Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage, wäre zurzeit ein Kurs von 1 Euro das maximal mögliche Bewertungsniveau. Wobei bei einer mögluchen Verwässerung auch Kurse deutlich unter dieser Marke möglich oder gar wahrscheinlich sind. 

Mein Urteil lautet darum: Finger weg von dieser Aktie! Wer die Möglichkeiten hat, sollte auf diesem Niveau über einen Leerverkauf nachdenken.

Offenlegung von eigenen Positionen

Ich halte keine Position (direkt oder über Derivate) in der in dem Artikel behandelten Aktie.

Offenlegung von Geschäftsbeziehungen

Ich habe diesen Artikel selbst geschrieben und meine eigene Meinung wiedergegeben. Ich erhalte keine Vergütung für diesen Artikel (außer ggf. von Spekunauten). Ich habe keine Geschäftsbeziehungen mit einem der im Artikel genannten Unternehmen.

    Kommentare (1)

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    @Blaues Hufeisen: Danke für die Aufklärung über Baumot. Wollte schon längst mal recherchieren, worüber Viele im Chat so schwärmen und zocken auf Teufel komm raus. Bin noch nicht dazugekommen, aber in Deinem Artikel steht ja kompakt alles drin, was man wissen muß und ist gewarnt. Super!

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